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Sieben Gründe, Apulien wieder zu besuchen

Kojich & Felder Reisen zur Kunst


(1) in Bari Vecchia die Zeit vergessen


Es gibt kaum eine farbenfrohere Altstadt als Bari vecchia, das alte Bari. In einem Labyrinth von Straßen tummeln sich alte Damen, die Orecchiette zubereiten, andere sitzen vor der Tür, Kinder flitzen auf ihren Fahrrädern umher. In der Luft liegt der Duft frisch gewaschener Wäsche. Er vermischt sich mit dem von Bratensoße und frisch gebackenem Fladenbrot. In diesem Gassenlabyrinth verbergen sich rund 240 Votivschreine, mit Heiligenbildern, Basreliefs und Fresken geschmückte Altäre, die zum religiösen und kulturellen Erbe der Stadt gehören. Hier sind die Straßen nicht einfach Wege, sondern wahre Labyrinthe, die dazu dienten, Eindringlinge zu verwirren. Oder den Besucher die Zeit vergessen lassen.


Largo Albicoca
Largo Albicoca

Die Altstadt von Bari ist der richtige Ort, um die apulische Küche zu probieren. Von kleinen Trattorien über Straßenimbisse bis hin zu Mischelin-Restaurants (z.B. das La But des Starkochs Antonio Scalera) findet man hier alles. Die Küche der Region ist das Ergebnis einer Mischung verschiedener Kulturen, die in Süditalien ihre Spuren hinterlassen haben: arabisch, griechisch, provenzalisch und natürlich italienisch. Diese Spuren haben sich im Laufe der Geschichte in der apulischen Küche vermischt. Wussten Sie, dass die typisch italienische Primo Parmigiana di Melanzane eigentlich arabischen Ursprungs ist? Das typische Nudelgericht Orechiette soll aus der Provence, genauer gesagt aus dem französischen Anjou, nach Apulien gekommen sein.

In jedem Restaurant wird die Frisella als Vorspeise serviert. Die meisten würden sie bescheiden als trockenes Brot mit Tomaten bezeichnen. Ihr Ursprung geht auf die Kreuzzüge zurück, als die Ritter, die von den Häfen Apuliens ins Heilige Land segelten, sie wegen ihres geringen Preises und ihrer langen Haltbarkeit mitnahmen, da sie sofort nach dem Eintauchen in Wasser essbar und ideal für die anstrengende Überfahrt war.


(2) Einen Heiligen um den Wegweiser bitten


“Bari vecchia ist das Bollwerk zwischen Himmel und Meer, immer bereit, den Sturm zu empfangen, immer offen für den Osten, es ist der Hafen, der das Mittelmeer umarmt“. So beschrieb der italienische Historiker Michele Gervasio Bari und sein Meer.


Denn das Meer ist die Seele der Hauptstadt Apuliens. Vom Meer kommen das Leben, der Handel und die Reliquien, von denen die berühmteste in der Krypta der Basilika San Nicola aufbewahrt wird. Kaufleute aus Bari entführten seinen Leichnam 1087 aus dem kleinasiatischen Myra und brachten ihn in ihre Heimat, wo ihm zu Ehren die berühmte Basilika errichtet wurde. Die Geschichte hat ihn zu einem der beliebtesten Heiligen der katholischen und orthodoxen Welt gemacht. Sankt Nikolaus ist der Schutzpatron der Seeleute, der Kaufleute, der Bogenschützen, der reuigen Diebe, der Kinder, der Bierbrauer, der Pfandleiher, der Spielzeugmacher, ....


Heute lebt er überall in der Altstadt von Bari. Von den Votivbildern, den Heiligenbildern an den Türen, den handgemalten Sternengewölben in den engen Gassen der Altstadt blickt er herab wie ein alter Freund, auf den man sich immer verlassen kann, um den Weg zurück zu finden. Auch wenn man sich in den engen Gassen des alten Bari verlaufen sollte.


Die Basilika San Nicola. Ein wunderbares Beispiel der apulischen Romanik
Die Basilika San Nicola. Ein wunderbares Beispiel der apulischen Romanik

Während des ganzen Monats Mai ist die Basilika San Nicola mit den Dekorationen des Patronatsfestes geschmückt, wenn Bari wieder einmal zum Treffpunkt der Völker, Sprachen und Glaubensrichtungen wird. Höhepunkt des Festes ist die traditionelle Prozession durch den Hafen: Ein Fest zu Ehren des Heiligen, der aus dem Meer kam, wird auf dem Meer gefeiert.

(3) In Canosa den Normannen begegnen


Zwei mittelalterliche italienische Geschichtsschreiber, Amatus von Montecassino und Leo von Ostia, berichten von vierzig Rittern, die auf dem Rückweg von einer Pilgerfahrt ins Heilige Land in Süditalien landeten und einem lokalen Fürsten im Kampf gegen die Sarazenen halfen. Dieser beschenkte sie großzügig, bevor sie nach Frankreich zurückkehrten. Die kostbaren Schätze, die sie aus Italien mitbrachten, veranlassten sie zur Rückkehr in großer Zahl. Dort blieben sie. Und herrschten zwei Jahrhunderte lang über Süditalien. Ob diese Legende wahr ist, wissen wir nicht. Die historischen Fakten, die wir kennen, sind, dass sich die Normannen ab 1015 in Süditalien ausbreiteten und unter der Führung der Familie Hauteville Apulien eroberten. Robert Guiscard festigte 1059 die Herrschaft über Apulien und wurde von Papst Nikolaus II. zum Herzog von Apulien gekrönt. Die Normannen von Hauteville dienten der Kirche auch während der Kreuzzüge.


Im verschlafenen Städtchen Canosa di Puglia befinden sich zwei bedeutende Monumente, die von der Zeit der Normannen in Apulien zeugen: die Kathedrale San Sabino und das Mausoleum des Bohemund I. (des ältesten Sohns von Robert)


Mausoleum von Bohemund I
Mausoleum von Bohemund I

Das Mausoleum des Bohemund I. erinnert in seiner kubischen Form stark an eine arabische Türbe (muslimisches Mausoleum). Die Außenwände des Mausoleums tragen die Handschrift der apulischen Romanik. Die Kapitelle über den Pilastern und die mächtigen Säulen zeigen jedoch deutlich byzantinische Dekorationselemente. Das Mausoleum ist ein schönes Beispiel für den Dialog der Kulturen, der sich in dieser Architektur manifestiert.


Die Kathedrale von Canosa beherbergt ebenfalls ein wertvolles Kunstwerk aus der Zeit der Normannen. Die Marmorkanzel wurde vom Bildhauer Acceptus im 11. Jahrhundert geschaffen und ist die älteste und am besten erhaltene in Apulien. Diese romanische Kanzel geht auf byzantinische Vorbilder zurück.



(4) In Otranto Ihr Sternzeichen suchen


Der kunsthistorische Höhepunkt von Otranto ist die Kathedrale von Otranto. Wer die Kathedrale Santa Annunziata zum ersten Mal erlebt, dem stockt der Atem. Sobald sich Augen und Herz auf den lichtdurchfluteten dreischiffigen Kirchenraum einstellen, entdeckt man den Boden, auf dem sich wie ein riesiger Teppich das Mosaik der Kathedrale über die gesamte Länge des Hauptschiffes erstreckt. Es entstand zwischen 1163 und 1166 im Auftrag des Erzbischofs Jonathan.

Blick von oben auf die Mosaike
Blick von oben auf die Mosaike

Die Szenen zeigen Episoden aus dem Alten Testament, aus mittelalterlicher Ritterliteratur und Bestiarien sowie aus dem Alexanderroman. Man könnte hier stundenlang Szenen aus dem Alten Testament betrachten, in einer wunderbaren Mischung aus antiker und orientalischer Mythologie und christlicher Ikonographie. Da versucht zum Beispiel die griechische Göttin Diana, hier als Symbol der Gottlosigkeit, einen Hirsch, das Symbol Christi, zu töten. Ohne Erfolg.


Doch unsere Aufmerksamkeit wird heute von den Tierkreis-Mosaiken gefesselt. Der Tierkreis von Otranto ist einer der größten der Welt. Er hat nicht nur dekorativen Charakter, sondern ist auch reich an moralischen und sozialen Inhalten in der Darstellung der verschiedenen landwirtschaftlichen und handwerklichen Berufe der jeweiligen Monate. Man schmunzelt, die Alten hatten es vielleicht doch nicht so schlecht. Im Januar - so die Darstellung auf dem Mosaik - ist die Hauptbeschäftigung, am Feuer zu sitzen und nichts Besonderes zu tun. Welche Arbeit erwartete man von Ihrem Sternzeichen im Mittelalter? Schauen Sie in Ontranto nach.


Mosaik in der Kathedrale von Otranto, Segment vor dem Hauptaltar
Mosaik in der Kathedrale von Otranto, Segment vor dem Hauptaltar

(5) In Brindisi am Ende der via Apia Antica stehen und auf das Meer schauen


Die römische Straße, Via Appia, wurde 312 v. Chr. von Appius Claudius Caecus (Politiker und Staatsmann der mittleren Römischen Republik) angelegt. Sie begann in Rom und endete in Brindisi, dem wichtigsten Umschlagplatz für Waren und Sklaven aus dem Orient. Die Via Appia zähle zu einer der

wichtigsten Handelsstraßen des römischen Reiches. Nicht zufällig erhielt sie schon in der Antike den Beinamen Regina Viarum, „Königin der Straßen“.  Eine imposante Säule im Hafen von Brindisi zeugt noch heute von ihrer Bedeutung und ihrem Endpunkt.


Es ist ein seltsames Gefühl, vor dieser Säule zu stehen. Wie viele römische Legionäre sind auf ihrem Weg über das Meer nach Asien an dieser Säule vorbeigezogen? Wie viele Sklaven auf dem Weg nach Rom? Wie viele Ritter auf ihrem Kreuzzug ins Heilige Land?


(6) Tausendjährige Olivenhaine bewundern und Olivenöl richtig verkosten


Apulien ist die reichste Region mit jahrhundertealten Olivenbäumen. Im Salento gibt es ein Gebiet namens Piana degli Ulivi Millenari (Ebene der tausendjährigen Olivenbäume), wo einige der ältesten Olivenbäume Italiens zu finden sind.


Schon in der Mythologie und in den Epen finden wir den Olivenbaum als Symbol des Triumphes und als kostbares Geschenk. Athene, die Poseidon herausfordert, der Menschheit das Nützlichste zu schenken, stößt ihren Speer in die Erde und lässt den ersten Olivenzweig wachsen. Sowohl in der Ilias als auch in der Odyssee werden der Olivenbaum und das Öl, das Homer als „goldene Flüssigkeit“ bezeichnet, häufig erwähnt. Aus dem Stamm eines Olivenbaums schnitzte Odysseus sein Ehebett, das durch die gewundenen Wurzeln fest im Boden verankert war und um das er später seine Kammer und seinen Palast baute.


Wir erinnern uns an diese schöne Geschichte, wenn wir in einer Masseria (einem Bauernhof, auf dem Olivenöl hergestellt wird) sitzen und die goldene Flüssigkeit probieren. Dabei gibt es einige Regeln zu beachten: Die beste Zeit für die Verkostung von nativem Olivenöl extra ist der Vormittag. Daher sollte man dies außerhalb der Mahlzeiten tun und alkoholische Getränke sowie stark gewürzte und scharfe Speisen vom Vortag meiden. Auch Rasierwasser, Parfüm und Tabak können das Ergebnis beeinträchtigen. Lassen Sie zwischen den einzelnen Verkostungen einige Minuten verstreichen, damit die Eindrücke der ersten Verkostung die nächste nicht beeinflussen. Es ist ratsam, ein Stück Apfel oder Brot zu kauen, damit Ihr Mund das richtige Gleichgewicht zwischen der Degustation verschiedener Olivenöle findet.



(7) Apulien ist nie ganz zu entdecken


Wenn man glaubt, in Apulien schon alles gesehen zu haben, tauchen plötzlich wieder wertvolle Entdeckungen auf. Geht man in dem kleinen Ort Gravina di San Marco die schmale Via Frappieri entlang, stößt man auf einen Privatgarten, den Giardino Casulli. Hier muss man hinein: Hinter den Feigenbäumen verbirgt sich der Eingang zu einer kleinen griechischen Grottenkirche, einem im Salento verbreiteten Kirchentyp.


Die Halbinsel Salento lag Byzanz geographisch am nächsten. Kein Wunder, dass sich hier griechische Mönche niederließen und ihre Kirchen bauten. Diese Höhlenkirche, La Candelora genannt, ist ein schönes Beispiel dieser Bauten. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist vollständig mit Fresken geschmückt. In den 50er Jahren wurde die Fassade der Kirche leider abgerissen, um den Garten zu vergrößern. Eine unrühmliche Geschichte Süditaliens. Ein kleiner Trost ist, dass die Kirche mit ihren wunderbaren Fresken rund um die Uhr besichtigt werden kann und heute unter dem Schutz des FAI, Fondo Italiano Ambiente, steht.


Hier geht es zu unserer Reise in das Land am Absatz des italienischen Stiefels: "Apulien zwischen Byzantinern und Normannen" | 28. April - 5. Mai www.reisenzurkunst.ch/apulien


Fresken in der Höhlenkirche La Candelora
Fresken in der Höhlenkirche La Candelora

 


 
 
 

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