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  • Kojich Reisen zur Kunst

Die Franziskaner: Das erste Reisebüro?

Das Pilgern ist mit ziemlicher Sicherheit die erste Form des organisierten Reisens. Der Bettelorden der Franziskaner nahm dabei eine zentrale Rolle ein als erster Genrealunternehmer für Reisen nach Jerusalem, indem er den Gläubigen ermöglichte, die grosse Reise in den Orient zu unternehmen. Zwischen 1320 und 1330 und in Zusammenarbeit mit dem Mamelukkensultanat in Ägypten entwickelten die Franziskaner ein Monopol auf organisierte Pilgerreisen ins Heilige Land. Für ein gutes Geld konnte man in Venedig eine 26- bis 60-tägige Schifffahrt nach Jaffa, eine Weiterreise auf dem Landweg nach Jerusalem, die Reiseleitung vor Ort sowie Kost und Logis buchen. In den eingeschlossenen Leistungen war natürlich auch die Besichtigung der Kirche des Heiligen Grabes dabei (hier in einer Aufnahme aus dem 19. Jahrhundert), dem Zentrum der Pilgerfahrt nach Jerusalem. Die Motivation der Reise war der Sündenerlass und das Seelenheil, die durch Sehen und Berühren der wichtigsten Reliquien, nicht selten aber auch durch kostspielige Ablässe, zu erlangen versucht wurden.

Die Unterkünfte im Heiligen Land waren spartanisch, und auf der langen Seefahrt musste man eigene Matratzen, Medizin und Gewürze mitbringen, damit sie einigermassen zu ertragen war. Auf jene, die die Schiffsfahrt überlebten, warteten Räuber und weitere Erschwernisse auf dem anschliessenden Landweg. Kein Wunder, dass man vor der Reise sein Testament zu schreiben pflegte!


Die Pilgerfahrten in Europa, nach Santiago di Compostela, Rom und Einsiedeln, waren nicht einfacher, aber doch immerhin ein wenig bequemer. So konnten die Rompilger in Siena Rast machen und sich, wenn nötig, auch kurieren lassen. An der Piazza del Duomo steht das mittelalterliche Hospiz Santa Maria della Scala. Der Maler Domenico di Bartolo beschreibt in seinen Fresken, in den Innenräumen des Hospitals, dessen regen Alltag. Das Gewimmel ist hochgradig organisiert, jeder hat seine Aufgabe: Im Zentrum steht der überwachende Rektor, links unten, knieend, sind der behandelnde Chirurg und die ihm helfenden Mönche zu sehen. Auf der rechten Seite nimmt ein etwas dicklicher Mönch einem Kranken die Beichte ab. Die Sünden scheinen nicht besonders spannend zu sein. Rechts daneben werden schon die nächsten Kranken hereingetragen.

Nach den Behandlungen oder der Erholung ging es weiter in den Süden, Richtung Rom. Für die Gutbetuchten gab es einen Abholdienst, um die letzte Etappe etwas bequemer zu absolvieren und die Energie für die sieben Pilgerkirchen Roms zu sparen. Die tüchtigen Italiener verstanden auch schnell, dass die Pilger unterwegs Geld brauchten. Eine gut funktionierende mittelalterliche „Banküberweisung“ war nicht umsonst zu haben, und in diesem Umfeld entstand ein Bankenwesen, das Jahre später zum Machtfaktor auf der italienischen Halbinsel werden sollte.

 

Pilgern war ein Privileg. Nicht alle konnten es sich leisten oder waren in der körperlichen Verfassung, die Strapazen der Reise zu überstehen. Ein vereinfachtes Pilgern war notwendig. So gibt es einen Bericht aus dem 12. Jahrhundert, in welchem zu lesen ist, dass eine Nonne aus Offenbach, die stark unter chronischen Knieschmerzen litt, statt nach Rom zu pilgern die Distanz Offenbach – Rom in täglichen 'Portionen' rund um Offenbach zurücklegen durfte. Um die Vereinfachung auszugleichen, musste sie bei ihrem täglichen Gang hundert Pater Noster beten. Wie durch ein Wunder wurde sie von den Knieproblemen befreit. Eine andere Quelle aus dem Jahre 1487 berichtet von den Dominikanerinnen in Augsburg. Diese erhielten, um die strenge Klausur einhalten zu können, die päpstliche Erlaubnis, die sieben Pilgerkirchen Roms virtuell besichtigen zu dürfen. Sie liessen sich dafür sieben über zwei Meter grosse Bilder der Kirchen im Kreuzgang des Klosters aufstellen und gingen betend von einer „Papierkirche“ zur anderen. Die virtuellen Reisen waren offenbar schon damals bekannt.


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