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  • Carla Patricia Kojich

Nach der Sintflut

Zwei junge Mädchen vor dunklem, unbestimmtem Hintergrund und auf einfachem Heuboden stehend, wissen um die baldige Weite in diesem stillen Moment der Begrüssung: Denn die weisse Taube hat ihnen mit einem kleinen grünen Zweig das lebendige Grün bezeugt. Sie ist jener Bote des festen Grundes aus der Genesis 8:11, als Noahs Arche noch vom scheinbar grenzenlosen Ausmass der Sintflut umgeben war.



Der englische Maler Sir John Everett Millais, der dieses Gemälde Ende 1850 unter einem anderen Vorwand begonnen hatte, hat mit seiner Umsetzung der biblischen Szene in The Return of the Dove to the Art von 1951 eine durchaus poetische Sprache in der Schlichtheit der Darstellung gefunden. Die Notwendigkeit, das Gemälde rechtzeitig fertigzustellen, um es in der Royal Academy im Frühjahr ausstellen zu können, brachte ihn von der einst intendierten mehrfigürlichen Komposition ab. Er entschied sich dafür, lediglich zwei Mädchen, meist als die zwei Töchter Noahs beschrieben, mit der Taube abzubilden, welche mit dem Olivenzweig die gute Botschaft überbracht hatte. Auf die Darstellung einer exemplarische Vielfalt der von der Sintflut geretteten Tierpaare und auf die Darstellung Noahs, dem die zentrale Rolle in der biblischen Erzählung zukommt, die Arche gebaut zu haben, verzichtete der englische Maler aus den beschriebenen Zeitgründen. Auch die Setzung des schlichten, dunklen Hintergrunds kann aus den zeitökonomischen Gründen nachvollzogen werden. Doch diese Reduktion führt zu einer Konzentration: So hebt sich beispielsweise das trockene Heu in einem eindrücklichen Detailreichtum hervor, der Kontrast zum dunklen schlichten Hintergrund intensiviert die wirklichkeitsgetreue Schilderung des Heus. Dies scheint defakto keine grosse Bedeutung zu tragen, es ist schlichtes, trockenes Heu. Doch zugleich ist es der tatsächliche und symbolische Grund, auf welchem die Mädchen stehen: Auf dem Trockenen, umgeben vom vielen Wasser. Nun soll bald das Grün nicht nur das Mädchen kleiden, das die Taube lieblich auf dem Arm trägt, sondern bald den festen Grund bezeichnen, wie der kleine grüne Zweig der Taube prophezeit. Lieblich wendet sich das weiss gekleidete Mädchen der Taube zu, und gibt ihr einen Kuss der Freude.


Die schlichte Komposition, das eng gehaltene Spekturm aus Grün, Weiss, goldenem Heu und schwarzem Grund, schafft ein stimmungsvolles Bild, das zeitlos die Hoffnung auf Besseres zeigt.


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