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Kojich & Felder Reisen zur Kunst

Reiserückblick Genova

Aktualisiert: 24. Mai


Wer nach Genua kommt, trifft auf das Meer. Der gelbe Streifen am Horizont stammt aus der Sahara und erinnert an die Nähe Afrikas, an die ehemaligen genuesischen Kolonien, an Dogen und Admirale. Andrea Doria, il Principe, war einer der berühmtesten. Wir besuchen ihn in seinem Palast. Am Fuße des weitläufigen Palastgartens legen die Kreuzfahrtschiffe an. Im 16. Jahrhundert hatte Doria hier seine mächtigen Flotten beheimatet.

Heute Abend findet im Palazzo Doria ein Fest statt. Der Verwalter des Denkmals, der Fondo Italiano di Ambiente, hat den Palazzo für eine Feier gemietet. Die Banco San Giorgio? Costa Cruises? Eine Versicherung? Wir wissen nicht, wer heute Abend hier vertreten sein wird. Sicher ist nur, dass Andrea Doria mit der imposanten Architektur des Palazzo del Principe, seinen freskengeschmückten Sälen und kostbaren Wandteppichen seine Macht sichtbar gemacht hat.

Detail des Freskos in der Loggia mit dem Wappen der Familie Doria

Wandteppiche, die die Seeschlacht von Lepanto darstellen

Ein typisches manieristisches Porträt von Angolo Bronzino zeigt den Admiral in kühner Pose. Der muskulöse Körper drückt Macht und Status aus. Vor dem Porträt stapeln sich im Saal die Utensilien für das Fest. Was würde Doria wohl zu diesem Anlass sagen?

Doria ist eine der vielen Familien, die wir in Genua getroffen haben: Grimaldi (ja, die, die nach Monaco gegangen ist), Spinola, Pallavicini, Durazzo, Brigola, ... Die Liste der Mächtigen ist lang, und die Baudenkmäler, die sie hinterlassen haben, sind in fast jeder Ecke der Stadt zu finden, wie die Privatkapelle der Familie Doria auf der kleinen Piazza San Mateo

Kirche San Mateo, 12 Jh.

Das Innere der Chiesa del Gesù mit seinem Reichtum an Gold, Stuck und vielfarbigem Marmor und den kühnen Fresken der Brüder Giovanni und Giovan Battista Carlone ist ein repräsentatives Beispiel des Genueser Barocks. Die wichtigsten Adelsfamilien der Stadt beauftragten die berühmtesten Künstler mit der Ausschmückung ihrer Familienkapellen. Darunter auch Peter Paul Rubens - für die Grabkapelle von Niccolò Pallavicino.

Das Werk wurde in Antwerpen geschaffen. In einer großen Vielfalt von Lichtern und Farben bewegen sich die Figuren: Ignatius, Francesco Saverio und Luigi Gonzaga an der Spitze der Bühne, die Menschheit der Kranken und Verwahrlosten zu ihren Füßen.

Rubens besuchte die ligurische Stadt im Sommer 1607. Bei diesem Aufenthalt hatte Rubens auch Gelegenheit, die schönsten Paläste der Stadt aus der Nähe zu studieren, die er 1622 in einem Buch mit dem Titel I Palazzi di Genova (Die Paläste von Genua) aufwendig abbildete. Die ganze Vielfalt dieser Palazzi lässt sich am besten bewundern, wenn man alle Zeichnungen von Rubens auf einem Blatt vereint. Oder man nimmt sich ein paar Wochen Zeit und besorgt sich einen guten Stadtplan von Genua.

Wir hatten 3 Tage zur Verfügung und haben uns auf den Palazzo Rosso konzentriert. Einerseits beherbergt der Palazzo eine wunderbare Sammlung flämischer Kunst. Andererseits liest sich die Geschichte des Palastes und der Familie Brignole-Sale wie ein guter Roman. Die Familie Brignole gehörte zu jenen Kaufleuten und Unternehmern, die zunächst Wolle und dann Seide verarbeiteten und sich innerhalb von zwei oder drei Generationen so gut etablierten, dass sie zur herrschenden Klasse der Republik Genua gehörten. Dank einer geschickten Heiratspolitik konnten sie sich auch mit dem Adelstitel schmücken. 1635 wurde Gio Francesco Brignole-Sale Dogen. Sein Erbe Anton Giulio, ein geschickter Diplomat und Jurist, beschloss, an der Strada Nuova einen repräsentativen Palast zu errichten, der dem erworbenen Status entsprach: Dazu dienten drei aneinandergrenzende Häuser am westlichen Ende der Straße, die zusammengelegt werden konnten. Der Palazzo Rosso wurde zwischen 1671 und 1677 erbaut und spiegelt seitdem den Geschmack, die Politik und zum Teil auch das Privatleben der verschiedenen Generationen der Dynastie wider. Dafür wurden die besten Kunstwerke, Möbel und Dekorationen verwendet, die das Geld hergab.


Das Porträt von Anton Giulio Brignole- Sale und seiner Frau Paolina Adorno ist eines der wenigen Beispiele von Anton an Dycks "en pendant"-Porträts, die zusammen erhalten geblieben sind. Es sind vermutlich die letzten Bilder, die der flämische Künstler in Genua malte, der Stadt, in die er 1621 als "bester Schüler" von Rubens gekommen war. Anton Giulio Brignole - Sale ließ sich 1627 von Van Dyck hoch zu Ross in einer höfischen Pose darstellen, die früher ausschließlich Fürsten vorbehalten war.


Die Generationen von Brignole-Sale kamen und gingen. Was geblieben ist sind wunderebare Kunstwerke, Möbel und Wanddekorationen


Die letzte Erbin der Familie, Maria Brignole- Sale-De Ferrari, Herzogin von Galliera - die letzte Hausherrin des Palazzo Rosso

Nach dem Tod von Maria Brignole-Sale 1888 gab es jedoch eine neue "Hausherrin": Signiora Caterina Marcenaro, Direktorin des Museo Civico, die sich im fünften Stock des Palazzo eigenmächtig eine moderne Wohnung einrichtete. Nicht unbedingt legal, aber sehr schön. Von ihrem Büro aus hat man einen atemberaubenden Blick über die Stadt.




 

Wir verlassen den Palazzo Rosso und die Strade Nuove, heute Corso Garibaldi, und gehen Richtung Hafen. Die Straßen werden immer dunkler und enger.

Durch diese Gassen, die Vicos, flossen im Laufe der Geschichte die Waren, die von den schwer beladenen Schiffen aus New Hampton, Antwerpen, Alessandria, Tabarka, Galata und vielen anderen Häfen und Kolonien im Porto Antico entladen wurden. So kamen eines Tages im 17. Jahrhundert die wunderbaren Teppiche an, die wir auf dem Plazzo Rosso und im Palazzo Reale bewundern konnten. Auf dem Weg zum Hafen begleiteten uns die Blicke der etwas barocken Damen der Straßen von Caruggi.


Das neue reiche Genua


Wir befinden uns auf dem breiten Corso XX Settembre, der an der Piazza de Ferrari beginnt. Der zentrale Platz des neuen Genua ist nach Luigi Ferrari benannt, einem bedeutenden Industriellen - Luigi Raffaele De Ferrari (duca di Galliera, principe di Lucedio. Er war der Mann von Maria

Brignola-Sole. Genau: Maria Brignola-Sole-de Ferrai, die letzte Herrin des Palazzo Rosso. Die Stadt Genua gedenkt seiner mit Freude und Dankbarkeit, auch weil er enorme Summen für den Hafen von Genua ausgegeben hat. Nicht weniger als zwanzig Millionen Lire. Das Geld floss in die Erweiterung und den Ausbau des Hafens von 1876 bis 1921. So konnte sich Genua auf den modernen Seehandel vorbereiten und seiner aufstrebenden Bourgeoisie neue Handelswege eröffnen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine städtebauliche Neuordnung des gesamten Stadtzentrums beschlossen. Die alten Häuser und Geschäfte wurden abgerissen und zwischen 1892 und 1912 entstanden entlang der Straße und in den angrenzenden Straßen die markantesten Jugendstilbauten der Stadt. In einigen Gebäuden dominiert etwas später der Art Déco.




Der Hafen von Genova trägt die Handschrift des einheimischen Stararchitekten Renzo Piano, der auch den Alten Hafen neu gestaltet hat: das zweitgrößte Aquarium Europas, der sogenannte Bigo - ein Panorama-Aufzug, die Glaskugel der Biosphäre und die alten Baumwolllagerhallen (Magazzini del cotone), die zu einem Konferenzzentrum und Kinokomplex umgebaut wurden.


Bigo von Renzo Piano

Heute kann man im Alten Hafen auch abends unbeschwert flanieren. Dann trifft man auch auf die alten Kräne, die nachts wie Relikte aus einer längst vergangenen Zeit wirken. Das Gefühl von Melancholie und Vergänglichkeit lässt sich nicht abschütteln.


Wenn man etwas urewartetes, seltsames in Genova erleben möchte, dann soll man unbedingt den monumentalen Friedhofs von Staglieno besichtigen. Guy de Maupasant schient auf gleiche Idee gekommen zu sein und schrieb über diesen Friedhof: "Nach der Besichtigung der alten Adelssitze Genuas und der Bewunderung einiger Gemälde, darunter die drei Meisterwerke von Van Dyck, bleibt nur noch der Camposanto zu sehen, das bizarrste, überraschendste, makaberste und komischste Museum für Leichenskulpturen der Welt". Die Analge ist enorm und dehnt sich über 1 Quadratkilometer aus. Im Zentralen, repräsentativen Teil liegen die letzten Cavalieri der Stadt begraben. Wie auf einer Ibsen-Bühne wurden sie in Stein gemeißelt, hinter dem Vorhang des Bürgertums und seiner sorgsam gehüteten Geheimnisse.


Nach Staglieno ist es Zeit, Genua zu verlassen. Ein Taxi bringt uns zurück ins pulsierende Stadtzentrum. Man ist froh, nicht allein zu sein. Nach dem seltsamen Vormittag in Cimitterio hat man ein komisches Gefühl im Bauch. Der Kaffee in der Bar schmeckt besonders gut und belebt.





 

Wir haben diesen Reisebericht am Meer begonnen. Wir beenden ihn wieder am Meer: mit genussvollen Stunden in der Osteria Dindi in Boccadasse, einem bei den Einheimischen beliebten Vorort von Genua. Hier konnten wir - zumindest für ein paar Stunden - die Zeit anhalten. Genua müssen wir wieder besuchen.




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