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Das Baskenland

  • Kojich & Felder Reisen zur Kunst
  • 15. Juli
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 16. Juli

Wenn man von idyllischen Weinrebenhügeln hinauf in dichte Buchen-Tannen-Wälder fährt und dabei kein Wort der Fahranweisungen versteht - Irteera: die Ausfahrt, Norabidea: Richtung - dann ist man nicht im Schwarzwald, sondern in den Kantabrischen Bergen des Baskenlands unterwegs.

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Die baskische Sprache gilt als eine der ältesten Europas. Sie ist ein Sprachisolat – keiner bekannten Sprachfamilie zuzuordnen – und damit ein faszinierendes Zeugnis vergangener Kulturen. Und doch ist die autonome Region Baskenland tief in die europäische Kultur eingebettet. In ihrem Inneren leben romanische Klöster, die seit Jahrhunderten Pilgern auf dem Jakobsweg Schutz und geistige Nahrung bieten.


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Ein zentraler Knotenpunkt dieser spirituellen und kulturellen Route ist die Kathedrale von Burgos. Sie weist klare Einflüsse großer französischer Kathedralen wie der von Chartres auf. Im 15. Jahrhundert arbeitete hier der deutsche Baumeister Johannes von Köln an den filigranen Turmhelmen. Die Kathedrale ist auch die Grabstätte des Nationalhelden El Cid – eine Figur, die die spanische Literatur mit der europäischen Ritter- und Heldentradition verbindet.


Rioja Alavesa

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Nach der Fahrt durch die kantabrischen Berge erreicht man die Hochebene von Rioja Alavesa. Hier fließt der Ebro langsam durch das Land. Hier spendet die heisse Sonne den Weinräben die Kraft. Die Weinherstellung in der Rioja Alavesa blickt auf eine jahrhundertelange Tradition zurück, die bis in die Römerzeit reicht. Doch die Zukunft ist hier längst angekommen: Zwei der berühmtesten Weinkeller der Region – das Weingut Ysios von Santiago Calatrava und das Weingut Bodegas Marqués de Riscal mit einem avantgardistischen Hotel von Frank Gehry – gleichen modernen Kathedralen des Weins. Ein Muss für Architektur- und Weinliebhaber! Oder auch umgekehrt.

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Frank Gehry begegnet man natürlich auch in Bilbao – mindestens zweimal: im Guggenheim-Museum Bilbao und im Victor Montes, seinem Lieblingsrestaurant in der Altstadt. Am 3. Oktober 1997 kam es im Restaurant Víctor Montes zur feierlichen Unterzeichnung des Guggenheim‑Museumsprojekts von Bilbao – direkt im Speisesaal des Hauses. Dort saßen Frank Gehry selbst, Thomas Krens (damaliger Direktor der Guggenheim-Stiftung) und J.I. Vidarte (der erste Direktor des Guggenheim-Bilbao) zusammen bei Tisch – ein Ereignis, das den ganz konkreten Startschuss für die “Bilbao-Erneuerung” markierte. Darüber aber etwas später... Ich sitze im Victor Mondes, trinke einen Aperitif und sehe, wie meine Notizen von einer plötzlichen Brise erfasst und weggeweht werden. Das Wetter kippt um. Die salzige Luft erinnert mich daran, dass der Golf von Biskaya nur wenige Kilometer entfernt ist.


Das Meer


Das endlose Meer Baskenlands! Vielleicht ist es tatsächlich die Quintessenz der baskischen Seele. Kein Wunder, dass Eduardo Chillida, der große baskische Bildhauer, sein bekanntestes Werk "Der Windkamm" (Peine del Viento) an den Klippen der Bucht von San Sebastián aufgestellt hat – ein ewiger Zeuge der tiefen Verbindung seines Volkes mit dem Atlantik.

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Auch das monumentale Wandbild des spanischen Malers José María Sert y Badía im Museo San Telmo in San Sebastián nimmt Bezug zum Meer und baskische Identität. Es ist Juan Sebastián Elcano gewidmet – dem Seefahrer aus Getaria bei San Sebastián, der als erster Mensch die Welt umsegelt hat.


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San Sebastián verdankt seine internationale Bekanntheit zu einem großen Teil der österreichischen Königin María Cristina von Spanien. Ende des 19. Jahrhunderts wählte sie die Stadt als ihren Sommerresidenzort, um das milde, angenehme Klima am Atlantik zu genießen. Unter ihrem Einfluss entwickelte sich San Sebastián – ähnlich wie Nizza an der Côte d’Azur – zu einem beliebten Kurort der europäischen Aristokratie. Die spanische Königsfamilie verbrachte regelmäßig die Sommermonate an der Bucht von La Concha, was zahlreiche Adelige, Künstler und Wohlhabende aus ganz Europa anzog.


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Bis heute zeugen die prächtigen Belle-Époque-Gebäude entlang der Promenade, die eleganten Hotels, Kasinos und Kurbäder von dieser glanzvollen Epoche und dem aristokratischen Flair, das San Sebastián seinen Beinamen als „Perle des Kantabrischen Meeres“ eingebracht hat. Nach einem Tag voller Sonne und „Glanz und Gloria” des mondänen Ortes möchte man aber zurück nach Bilbao.

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Der Bilbao-Effekt

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Kommt man mit der Bahn in die Stadt, wird man von einer monumentalen, polychromen Glaswand empfangen. Sie wurde 1948 von Jesús Arrecubieta realisiert und schmückt bis heute den Bahnhof Bilbao-Abando. Das farbenprächtige Fenster zeigt architektonische Wahrzeichen wie die Basílica de Begoña und die San-Antón-Brücke, erzählt aber zugleich die wirtschaftliche Geschichte der Stadt. Auf der linken Seite der Komposition sind Matrosen zu sehen – ein Verweis auf die jahrhundertealte Verbindung Bilbaos mit dem Meer. Auf der rechten Seite erkennt man Rauch und Hochöfen: die Eisen- und Stahlwerke, die im 19. und 20. Jahrhundert das wirtschaftliche Rückgrat der Region bildeten. Mit dem Niedergang der Schwerindustrie in den 1980er-Jahren begann jedoch der tiefe Absturz: 1985 lag die Arbeitslosigkeit bei über 20 %. Die Stadt wirkte grau, verschmutzt und perspektivlos. Hoffnung war Mangelware. Und dann kam die Wende – eingeleitet durch einen ambitionierten Stadtentwicklungsplan, der Bilbao neu positionieren sollte: von der gebeutelten Industriestadt zur kulturellen Metropole. Auf der Suche nach einem Symbol für den Neubeginn wandten sich die Verantwortlichen der baskischen Regierung an die Solomon R. Guggenheim Foundation in New York.

Diese wiederum war auf der Suche nach einem zweiten, internationalen Standort für ihr berühmtes Guggenheim Museum, um ihre Sammlung einem breiteren Publikum außerhalb der USA zugänglich zu machen. Drei europäische Städte bewarben sich um dieses prestigeträchtige Projekt.

Das Restaurant Victor Mondes, wo der Vertrag zwischen Baskischen Regierung und der Solomon R. Guggenheim Foundation unterzeichnet wurde
Das Restaurant Victor Mondes, wo der Vertrag zwischen Baskischen Regierung und der Solomon R. Guggenheim Foundation unterzeichnet wurde

Nach intensiven Gesprächen fiel die Wahl auf Bilbao. Am 18. Oktober 1997 wurde schließlich das Guggenheim-Museum Bilbao feierlich eröffnet – in Anwesenheit des spanischen Königspaars. Entworfen vom Stararchitekten Frank O. Gehry, sorgte das spektakuläre, futuristisch anmutende Gebäude aus Titan, Glas und Kalkstein weltweit für Aufsehen. Es wurde zum Symbol für den „Bilbao-Effekt“ – der Beweis, dass Kunst und Kultur Motoren für urbane Erneuerung sein können.

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Das Museum entstand am Ufer des Nervión, dort, wo einst Schiffe mit Stahlplatten beladen wurden – Zeugnisse der industriellen Vergangenheit Bilbaos. Heute sind die öden Hafenlandschaften verschwunden. Stattdessen trifft man auf einen bunten Tulpenstrauß von Jeff Koons, auf eine der eindrucksvollsten Skulpturen von Louise Bourgeois – „Maman“ (1999), und auf: viele Touristen.

Genau das war das Ziel: Menschen aus aller Welt sollten kommen – und sie kommen.

Doch glücklicherweise verliert sich das Getümmel, sobald man das Museum betritt. Im Inneren ist die Kunst lauter als die Besucher. Der Raum wird still – nicht wegen der Stille selbst, sondern weil die Kunst überwältigt, einnimmt, den Ton angibt.

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Passend zur industriellen Geschichte Bilbaos waren auch die ersten Kunstwerke des Guggenheim-Museums geprägt von Material, Masse und Raumwirkung. Eine der größten Hallen des Museums wurde speziell für das Werk des amerikanischen Bildhauers Richard Serra entworfen. Dort befindet sich seine monumentale Installation „The Matter of Time“ – eine Serie begehbarer Skulpturen aus wetterfestem Stahl, die in spiralförmigen und elliptischen Formen durchschritten werden können. Besucher erleben dabei eine sich ständig verändernde Wahrnehmung von Raum, Zeit und Balance. Der verwendete Stahl – rostig, massiv, rau – ist nicht nur Material, sondern auch Verbindung zur Vergangenheit Bilbaos: zu den Werften, Eisenwerken und der Schwerindustrie, die das Leben der Stadt über Jahrzehnte prägten.

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In Serras Werk tritt Bilbao in einen zeitlosen Dialog mit sich selbst – roh, archaisch, monumental. Aber auch leicht, froh und verspielt.

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Zum Abschluss: noch zwei Bildimpressionen des Baskenlandes – sowohl landschaftlich als auch kulinarisch. Schließlich macht Kunst auch hungrig. Und das Baskenland hat in dieser Hinsicht einiges zu bieten. Das werden wir in diesem September unter Beweis stellen, wenn wir uns auf die Reise "Bilbao, den Atlantik und Eduardo Chillida" begeben.


Zoriontsu gaude! – Wir freuen uns!

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