Entdeckungsreise Bulgarien – eine Fotoreportage
- Kojich & Felder Reisen zur Kunst
- 1. Juni
- 8 Min. Lesezeit

Bei einer Reise durch Bulgarien wird man schnell von den breiten, menschenleeren Landschaften überwältigt. Überall am Horizont sieht man die Bergketten, die diese Landschaften sanft umarmen. Die bedeutendste Gebirgskette Bulgariens heißt Balkan und hat der ganzen Region in Südeuropa ihren Namen gegeben.


Im Mai zeigt sich die bulgarische Landschaft von ihrer schönsten Seite. Üppig grüne Wiesen, blühende Felder und dichte Wälder prägen das Bild – ein lebendiger Kontrast zum klaren Blau des Himmels. Die Rhodopen, das Balkangebirge und die sanften Hügel Thrakiens leuchten in sattem Grün, während Flüsse wie die Iskar oder die Struma ruhig durch die Natur fließen. Inmitten der grünen Landschaften Bulgariens liegen stille, spirituelle Orte verborgen: die Klöster, die sich harmonisch in die Natur einfügen. Ihre bunten Fresken leuchten sanft im Spiel des Lichts und verschmelzen mit den Farben der Umgebung. Besonders im Frühling, wenn alles blüht und grünt, scheinen diese spirituellen Rückzugsorte mit der Natur zu atmen – ein stilles Zusammenspiel von Glaube, Geschichte und Landschaft.



Auch geographisch und geologisch ist Bulgarien äußerst abwechslungsreich. In der Region um Melnik im Südwesten Bulgariens entdeckt man eine faszinierende Landschaft aus Sandsteinformationen, die sogenannten Melnik-Pyramiden. Diese bizarren, von Wind und Regen geformten Sandberge ragen wie versteinerte Wellen aus der Erde und leuchten je nach Sonnenstand in warmen Tönen von Gold bis Rostrot.

In den steilen Kalksteinfelsen bei Iwanowo über dem Fluss Rusenski Lom haben sich orthodoxe Mönche im 12. bis 14. Jahrhundert ein spirituelles Rückzugsgebiet geschaffen. Sie meißelten Kirchen, Kapellen und Klosterzellen direkt in den Stein. Von außen sind sie schlicht, im Inneren jedoch mit Fresken geschmückt, die noch heute leuchtende Zeugnisse mittelalterlicher Kunst sind. Wir haben von der geografischen Lage profitiert und sind anschließend zum Kaffee und Kuchen nach Russe an die nahe Donau gefahren. Auf der anderen Seite der Donau lag Rumänien. Für das Jahr 2027 planen wir eine Reise in dieses Land.


Im Südwesten Bulgariens, im mächtigen Rila-Gebirge, haben sich über Millionen von Jahren tiefe Schluchten in das Gestein gegraben – ein beeindruckendes Zeugnis geologischer Kräfte. Eine der spektakulärsten Formationen dieser Region ist die Teufelsschlucht (Teufelsrachen), nahe des Dorfes Trigrad. Wir sind in die Höhle hinabgestiegen, die wie ein dunkler, geheimnisvoller Spalt in der Erde wirkt. Die sogenannte „Teufelsrachen-Höhle“ beeindruckt nicht nur durch ihre Tiefe, sondern auch durch ihre gewaltige Eingangshalle – so groß, dass man sich vorstellen kann, die gesamte Alexander-Newski-Kathedrale aus Sofia darin unterzubringen.

Hier soll laut Legende Orpheus in die Unterwelt hinabgestiegen sein, um seine geliebte Eurydike zurückzuholen. Beweise dafür gibt es natürlich nicht – doch der Ort passt erstaunlich gut zur dramatischen Stimmung des Mythos: düster, tief, voller rauschender Wasser und geheimnisvoller Schatten. Was man historisch sagen kann: Nach einhelliger antiker Überlieferung stammte Orpheus aus Thrakien – einer Region, die zu großen Teilen im heutigen Bulgarien lag. Die thrakische Kultur hinterließ hier zahlreiche Spuren, etwa in der Gegend um Kanzanlak, Plovidiv und Sofia, wo sich antike Heiligtümer und Grabhügel finden.

Der Aufstieg aus dieser „Unterwelt“ ist nicht nur körperlich fordernd, sondern auch symbolisch eindrucksvoll. Und wenn man schließlich wieder ins Licht tritt, die frische, grüne Mai-Landschaft vor sich sieht und tief die klare Bergluft einatmet – dann spürt man, was Orpheus vielleicht verloren hat: das Leben selbst in all seiner kraftvollen Schönheit. Eurydike hin oder her – das Hier und Jetzt ist atemberaubend.
Die Tharker
Die thrakische Kultur existierte seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. an der Schnittstelle zwischen Orient und Griechenland. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die archäologischen Funde, wie das Gold von Panjagurischte und Borowo, Stilelemente der frühpersischen, skythischen – das sind Reiternomaden der euroasiatischen Steppen in der heutigen Ukraine – und mykenischen Kultur aufweisen. In den Archäologischen Museen in Plovdiv und Sofia haben wir einige wertvolle Exponate gesehen, die auch vor der Zeit der Thraker datiert werden können.

Der berühmte thrakische Goldschatz zählt zu den beeindruckendsten archäologischen Funden Bulgariens. Die kunstvoll gearbeiteten Gefäße stammen vermutlich vom Ende des 4. bis Anfang des 3. Jahrhunderts v. Chr. und gehörten einem unbekannten Herrscher des thrakischen Volksstammes der Odrysen – einer der mächtigsten thrakischen Dynastien der Antike.

Die Gefäße wurden vermutlich bei religiösen Zeremonien verwendet und beeindrucken durch ihre feine Verarbeitung, filigrane Ornamente und symbolische Darstellungen. Stilistisch zeigen sie eine faszinierende Verschmelzung thrakischer Kunst mit Einflüssen aus der griechischen und persischen Welt – ein Spiegelbild der kulturellen Kontakte und des Reichtums, den die Thraker einst besaßen. Dieser Schatz ist nicht nur ein Beweis für das hohe handwerkliche Können der Thraker, sondern auch ein Fenster in eine weitgehend vergessene, aber kulturell bedeutende Epoche Europas.


In Kazanlak, im Tal der Rosen, konnten wir auch ein thrakisches Grab besichtigen. Dabei handelt es sich um eine originalgetreue Replik eines Kuppelgrabes aus dem 4. Jahrhundert v. Chr., das im Jahr 1944 zufällig entdeckt wurde. Vermutlich diente es einem hochrangigen Thraker, möglicherweise sogar einem König, als letzte Ruhestätte.

Das Pferd ist ein wiederkehrendes Motiv im Grabraum und signalisiert damit die große Bedeutung des Tiers in der thrakischen Kultur. Der griechische Dichter Homer bezeichnete die Thraker als „Volk der Reiter“. Zunächst züchteten sie Pferde für Rennen, später dann für den Kriegseinsatz. Angeblich waren ihre Pferde größer und robuster als die der nomadischen Stämme im Norden.

Wir sind dem thrakischen Pferd in den Rhodopen begegnet. Es ist etwas weniger elegant als die Pferde auf den Wandmalereien. Es hat sich über Tausende von Jahren hinweg entwickelt und ist dabei robuster geworden. Anstelle im Krieg wurde es in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt. Es schleppt 150–200 kg Holz auf Tragesätteln steile Hänge hinunter bis zum nächstgelegenen befahrbaren Weg.

Die romische Provinz Thrakien
Die Provinz Thrakien bildete im Römischen Reich die Grenze zwischen dem Westen und dem Osten des Imperiums. Als die am weitesten östlich gelegene Provinz auf europäischem Gebiet war sie ein Vorposten gegenüber dem Osten und diente auch als Aufmarschgebiet für militärische Aktionen Roms. Die Stadt Philippopolis (das heutige Plovdiv) zählte 100.000 Einwohner, was die Größe des gut erhaltenen Theaters erklärt.



Nach den Römer und Byzanz schreiben die Bulgaren die Geschichte
Unter Zar Simeon I., im 9. und 10. Jh., etwickelte sich Bulgarien zu einem mächtigen Imperium, das sich von der Donau, dem Schwarzen Meer bis Adria dehnte. Oft im Krieg mit dem Byzanz und Serbien. Veliko Tarnovo (auch Weliko Tarowo) war die Hauptstadt des I Bulgarischen Reiches und die erste Etape unserer Reise

Die Burganlage war nicht nur militärischer Stützpunkt, sondern auch politisches und geistiges Herz des Reiches. Innerhalb der mächtigen Festungsmauern befanden sich der Königspalast, die Patriarchenkirche und zahlreiche Wohn- und Verwaltungsgebäude. Besonders eindrucksvoll ist die rekonstruierte Patriarchenkirche, die heute mit modernen Wandmalereien ausgestattet ist und einen weiten Blick über die umliegenden Hügel und das Yantra-Tal bietet.


Unweit von Veliko Tarnovo liegt das historische Dorf Arbanasi, ein architektonisches Kleinod mit reicher Geschichte. Besonders berühmt ist die Kirche der Geburt Christi ein unscheinbares Gebäude von außen, das im Inneren jedoch ein wahres Juwel mittelalterlicher Kunst birgt. Die Kirche stammt aus dem 16. bis 17. Jahrhundert und beeindruckt durch ihre vollständig erhaltenen Fresken, die nahezu jede Wand und Decke bedecken.

Aus der gleichen Zeit stammen wertvolle Ikonen aus der von Ottomanen zerstörten und später rekonstruierten Kirche des Hl. Demetrios in Veliko Tarnovo, die heute in Sofia, in der Krypta der Kathedrale „Alexander Nevsky” zu sehen sind.

500 Jahren unter die Osmanen und danach
Im 14. Jahrhundert kam der bulgarische Staat unter osmanische Oberherrschaft, von der er sich erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts befreite. Es überrascht deswegen nicht viele orienatlische Architekturen in Bulgarien zu begegnen.


Ein Stadtbild von Plovdiv aus dem 19. Jahrhundert (von Iwan Markwitschka). Am Markt mischen sich westliche Trachten mit solchen aus dem Osten. Parfümierte Damen und Bauern, die ihre Waren anbieten. Zu sehen sind auch die Architekturen einer osmanischen Provinzstadt und einer zur Modernisierung strebenden Handelsstadt.

Das Kuyumdzhioglu-Haus, in dem sich heute das Ethnographische Museum befindet, wurde 1847 für den Plovdiver Kaufmann Argir Hristov Kuyumdzhioglu errichtet. Er war ein einflussreicher Händler von Haushaltswaren und besaß eine Firma in Wien. Die Fassade zeigt typische Muster des bulgarischen Revival-Stils, der die langsame und mühsame Befreiung Bulgariens von den Osmanen begleitete. Im Jahr 1876 erhoben sich Anhänger der bulgarischen Nationalidee mit Unterstützung des Russischen Reiches gegen die Osmanen. Auf dem Berliner Kongress im Jahr 1878 wurde Bulgarien zum Fürstentum unter osmanischer Oberherrschaft erklärt. Erst 1908 proklamierte es seine Unabhängigkeit und wurde ein Königreich.
Sofia: die Kontraste einer Hauptstadt
Sofia wirkt auf den ersten Blick manchmal rau und widersprüchlich, doch gerade darin liegt ihr Reiz. Die Stadt ist lebendig, vielfältig und überraschend grün – mit Parks, Alleen und dem mächtigen Witoscha-Gebirge im Hintergrund. Wer sich Zeit nimmt, entdeckt in Sofia eine faszinierende Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart, Ost und West, Tradition und Wandel.


Im Herzen der Stadt erhebt sich die goldglänzende Alexander-Newski-Kathedrale, Symbol der bulgarischen Wiedergeburt, während unweit davon die römische Rotunde des Heiligen Georg aus dem 4. Jahrhundert steht – das älteste erhaltene Gebäude Sofias. Dazwischen spürt man den Atem der Geschichte: thrakische Ursprünge, byzantinische Einflüsse, osmanische Spuren und westlich geprägte Moderne.


Betrachtet man die Dimensionen der Kirche „Hl. Alexander Nevsky”, kann man nur in Superlativen von ihr sprechen. Sie ist eine der größten Kirchen, die nach dem Vorbild der Hagia Sophia in Istanbul errichtet wurden, und ein interessantes Beispiel des Neobyzantinismus. Wie groß diese Kirche ist, wird einem erst im Inneren bewusst. Der menschliche Körper vor einer Säule hilft dabei, sich die Größe des Bauwerks vorzustellen.


Wer Sofia besucht, sollte unbedingt einen Abstecher in den grünen Vorort Bojana am Fuße des Witoscha-Gebirges machen. Dort steht die weltberühmte Bojana-Kirche, ein Kleinod mittelalterlicher Kunst und seit 1979 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes.
Die Kirche wurde in mehreren Etappen zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert erbaut. Der bedeutendste Ausbau erfolgte im frühen 13. Jahrhundert unter Sebastokrator Konstantin und seiner Frau Eirene, einer Tochter des byzantinischen Kaisers Theodor II. Doukas Laskaris. Ihre Ehe steht symbolisch für die engen politischen und kulturellen Verbindungen zwischen dem Zweiten Bulgarischen Reich und den byzantinischen Nachfolgestaaten in Kleinasien.
Besonders berühmt ist die Bojana-Kirche für ihre Fresken aus dem Jahr 1259, die in ihrer Ausdruckskraft und Detailgenauigkeit als Vorläufer der Renaissancekunst gelten. Die Porträts von Konstantin und Eirene, von Heiligen, Märtyrern und biblischen Szenen zeugen von einem hochentwickelten Kunstverständnis und tiefer Spiritualität.
Inmitten alter Bäume gelegen, strahlt die kleine Kirche eine stille Würde aus – ein eindrucksvoller Ort, der Geschichte, Glauben und Kunst in einzigartiger Weise vereint.

Die Bojana-Kirche war die letzte Station unserer Entdeckungsreise durch die faszinierenden Landschaften, die bewegte Geschichte und die reiche Kultur Bulgariens. In der Stille dieser jahrhundertealten Kirche fanden wir einen würdigen Abschluss – ein Ort, der Vergangenheit und Geist tief in sich trägt.
Unsere Reise war farbenreich – nicht nur durch Fresken, goldene Schätze und grüne Täler, sondern auch durch die vielen bunt gedeckten Tische, an denen wir gemeinsam saßen. Hier lernten wir Bulgarien auch kulinarisch kennen: würzige Schopska-Salate, deftige Eintöpfe, hausgemachter Joghurt, duftende Kräuter und kräftiger Rakija.

Und die Rosen?
Viel haben wir von den berühmten Rosenfeldern von Kazanlak tatsächlich nicht gesehen – die Ernte war kurz vor unserer Ankunft schon vorbei. Vielleicht war das gar nicht so schlecht. Denn so blieben uns die überlaufenen Foto-Kulissen und das touristische Spektakel erspart, das die ursprüngliche Magie der Damaszener-Rose zunehmend zu überlagern scheint.

Auf unserem Weg durch Bulgarien sind wir stattdessen einem Feld voller Mohnblumen begegnet. Die sind auch wunderschön und passen perfekt zu diesem farbenfrohen Balkanland.

Das Copyright für Bilder liegt bei Kojich & Felder Reisen zur Kunst.
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