Tag 1: Aufbruch
Um sechs Uhr am Morgen breche ich von Dubrovnik nach Albanien auf. Die alte Stadt schlummert noch im indigo-blauen Licht Dalmatiens. Ein Blick nach Osten verrät die lange Fahrt entlang der Adria-Küste. Das Wetter macht aber gut mit.
07:30 Ich bin bereits in Montenegro und am Fjord von Kotor angelangt. Die Fähre von Tivat über die Strasse von Kotor kürzt die Reise um einiges ab.
08:45 Ich verlasse die Adria-Küste und folge den Serpentinen Richtung Shkodrës und der Grenze nach Albanien hoch. Man kann sich nicht verfahren, nur diese eine schmale Strasse führt dort hin. Nach den 4****-Hotels, Stränden und Restaurants an der Adria fahre ich durch halbverlassene Dörfer, mit Menschen, die irgendwohin unterwegs sind, und Minaretten, die den Himmel durchbohren. Bald wird es regnen.
10:30 Ich bin bereits im tiefsten Albanien. Entlang der Strasse seltsame Architekturen. Manche Strassenabschnitte erinnern irgendwie an Las Vegas.
Tag 2: Tirana
Vom Hotel International aus, dem ehemaligen Hotel für die Staatsgäste, schweift der Blick auf ein modernes Tirana. Mit dem Tod des Diktators Enver Hoxha hat Albanien 1991 den Stalinismus hinter sich gelassen und den Anschluss an Europa gesucht. Nirgendwo ist der Fortschritt so offensichtlich wie auf dem Skanderbeg-Platz, im Zentrum der Hauptstadt. Die weite Fläche ist mit Naturstein aus allen Landesteilen gepflastert. Am Rand steht eingerüstet eine Moschee aus der Zeit der osmanischen Herrschaft.
Das Geschehen auf dem Platz wird „überwacht“ vom imposanten Monument des heldenhaften Fürstens Skanderbeg, der im 15. Jahrhundert den Aufstand gegen die Türken führte. Für seine Verteidigung des Fürstentums Kastroti gegen die Osmanen erhielt er von Papst Calixtus III. den Ehrentitel Athleta Christi. Die stürmische Geschichte ignorierend – von den Venezianern über die Osmanen und italienischen Faschisten bis zur wegen seiner eisernen Hand gefürchteten Hoxa-„Staatssicherheit“ Segurimi – eilen die Menschen über den Platz zur Arbeit oder sonstigen Terminen, begleiten ihre Kinder in die Privatschule. In eleganten Cafés wird der beste italienische Cappuccino mit einem Brioche serviert. Zumindest hier ist das moderne Europa angekommen.
Während des italienischen Kolonialismus‘ und späteren Faschismus‘ wurde Tirana durch italienische Architekten geprägt. Vor allem von Florestino di Fausto, der im Stil des "Novecento" baute. Eine wesentlich schönere Architektur kam in den letzten Jahren hinzu. So baute der Mailänder Stararchitekt Stefano Boeri den Bllokku Cube, ein imposantes Gebäude, und die hängenden Gärten Riverside, von seinem gekrönten Bosco Verticale in Mailand (siehe Reisebericht Mailand) inspiriert.
Unweit vom Blloku sind die ehemaligen Villen der Familie Hoxa und der obersten Machtinhaber des kommunistischen Apparats zu sehen. Unter seiner Regierung wurde das gesamte Stadtquartier von der Polizei abgeriegelt. Hoxas Villa verfügte über einen Fluchttunnel und einen Swimmingpool.
Schön in Tirana sind die grossen Kontraste. Breite, moderne Boulevards erregen die Aufmerksamkeit der Reisenden ebenso wie kleine intime Strassenecken, wo sich das traditionelle Leben abspielt.
Morgen ist der 8. März, der Tag der Frauen. In Albanien ist es immer noch Tradition, an diesem Tag Blumen zu verschenken, wenn möglich Mimosen. Mein lokaler Guide, Genti Bruci, ein Historiker, hat diese Pflicht gegenüber seiner Gattin bereits früh am Morgen erledigt. Er wird mich die nächsten Tage durch Albanien begleiten. Gentis Vater war Diplomat, weshalb er in Berlin geboren wurde und perfekt Deutsch spricht. Schon nach wenigen Stunden reserviere ich ihn für unsere Albanien-Reise im nächsten Jahr.
Albanische Provinz und neuere Geschichte
Erste Station nach Tirana ist Koçove, eine Stadt, die architektonisch in den 50er Jahren stecken geblieben ist. Es war damals die florierende Ölindustrie, die der Stadt und dem Staat einen gewissen Wohlstand brachte. Gebohrt wird hier nach wie vor, noch immer mit den gleichen Maschinen. Hier kommt mir erneut ein Vergleich mit Amerika in den Sinn, die Stadt ähnelt einer Kleinstadt und erinnert mich an den Film Paris, Texas.
Eine Öl-Metropole muss natürlich auch einen Fussballclub mit einem eigenen Stadion haben. Und neben dem politischen Sekretär auch einen lokalen Fussball-Star.
Kurz hinter dem Stadtrand von Koçove wird die Stimmung wieder von der offenen Landschaft Albaniens geprägt. Weinberge und Kirschbäume lassen den bevorstehenden Frühling erahnen.
Tag 3: Antike, Byzanz und die Ottomanen
Diesen drei Epochen werden wir 2024 auf unserer gemütlichen, 8-tägigen "Kulturreise Albanien" begegnen. Hier werden nur einige Highlights erwähnt.
Apollonia: bedeutende römische Kolonie an der Adria.
Im Jahr 44 v. Chr., als Cäsar umgebracht wurde, befand sich hier Oktavian. Er entschied sich, via Brindisi nach Rom zu reisen, konnte seine politischen Gegner besiegen und wurde neues Oberhaupt des römischen Imperiums. Offenbar als Zeichen der Dankbarkeit gegenüber Apollonia, erklärte er sie zur "Civitas liberal et immunes", was zur Befreiung vom zentralen Staat führte. Dieses Privileg bewahrte sich Apollonia auch unter den nachfolgenden Kaisern und wurde so zu einer florierenden Handelsstadt, deren Größe man von den sanften Hügeln bis zur Adria blickend gut erahnen kann. Hier lässt es sich gemütlich unter einem Baum verweilen, einen Klassiker lesend oder mit einem Nickerchen. Die Wächter sind sehr tolerant.
Berat - die Stadt der 1000 Fenster.
Die Stadt Berat (Belgrad) beginnt historisch im Byzanz und endet unter den Ottomanen, was man im heutigen Stadtbild schnell erkennt. Die Osmanen herrschten mit dem Milet-System, das auf Toleranz gegenüber Minderheiten und Religionen beruhte. So konnte auch nach der Eroberung Berats durch die Osmanen die seit der Zeit der Hl. Helen existierende byzantinische Kultur überleben.
Die gut erhaltene Zitadelle von Berat beherbergt das Museum von Onufri, dem berühmten Ikonen-Maler. Bekannt wurde er nicht nur wegen der hohen Expressivität seiner Bildsprache, sondern auch wegen seines straken Kolorits. In der Kunstgeschichte spricht man vom "Onufri-Rot".
Die silbrigen Dekorationen der Ikone zeugen vom Reichtum der Stadt und seiner Einwohner. Die Stadt zählte 49 Kirchen. 19 haben die Geschichte überlebt.
Bild oben:Maria mit dem Kind, (Detail), Onufri 16. Jahrhundert
Bild unten: Darstellung Jesu im Tempel (Detail), Onufri, 16. Jh.
Eine der interessantesten Kirchen auf der Zitadelle von Berat ist die Dreifaltigkeits-Kirche aus dem 13.-14. Jahrhundert. Im Bau-Typus erinnert sie stark an die Jovan Kaneo-Kirche am Ohrid See, welche sich auf unserer herbstlicher Route auf den Spuren des Mittelalters auf dem Kosovo befindet. (Klöster der Nemanja: Nordmazedonien und Kosovo)
Bild oben: Dreifaltigkeits-Kirche in Berat
Bild unten: Jovan Kaneo-Kirche am Ohrid See
Ein Abschluss mit 5 Sternen
In Berat ist die Nacht angebrochen. Die alte Brücke über den Ossum-Fluss erinnert an die Karawanen, die hier tausendmal entlanggezogen sind. In der Stadt wird es still. Ein Muezzin ruft die muslimische Gemeinde zum Gebet.
Wir fahren ins Hotel Colombo und sind in diesem 5*****-Haus heute die einzige Gäste. Das Hotel Colombo könnte mit seiner gigantischen Säulenordnung, seiner grossen weissen Kuppel und der in kostbarem polierten Marmor gehaltenen Lobby wohl auch in Washington stehen. Ein weiterer Kontrastpunkt in diesem Land, das an jeder Ecke überrascht. Es ist Zeit, mit einem Raki den Tag und die Reise abzuschliessen.
Wenn Sie in einer kleinen Gruppe mit uns Albanien entdecken wollen, schreiben Sie uns an: info@reisenzurkunst.ch, mit Vermerk: Kulturreise Albanien 2024. Gerne schicken wir Ihnen unsere Reisepläne zu.
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